Die andere Sicht

Künstle’s Sicht: Thailand – Lichtblick in Fernost mit Schattenseiten, Teil 1

 

– Eindrücke nach vier Wochen Aufenthalt aufgrund einer Hochzeit 
– Islamischer Süden mit seinem Terror trübt Land des Lächelns 
– Wo einst die Bomber der USA gegen Vietnam beladen wurden

von Albrecht Künstle *)


Anlass unserer Thailandreise war nicht touristischer Natur
. Der 30jährige deutsch-thailändische Sohn der Schwägerin meiner Frau hatte sich entschlossen, eine frühere Schulkameradin zu heiraten. Deutsche Frauen seien ihm zu kompliziert. „Der Mönch hatte errechnet“, der 16. Februar 2023 sei der beste Tag für das Ja-Wort. Zuvor galt es, amtlich zu heiraten. Auf dem Standesamt ging es zu wie auf einer Kfz-Zulassungsstelle mit entsprechenden Schaltern. Nur Nummern mussten keine gezogen werden. Keine Ansprache der Amtsperson hinter dem Schalter, sie prüfte nur die mitgebrachten Dokumente. Nach zehn Minuten galten sie als verheiratet – Stempel, fertig. Immerhin stand irgendwo eine weiße Bank mit einem Kunstblumengebinde dahinter, wo sich die beiden (in normaler Straßenkleidung, er in kurzen Hosen) fotografieren lassen konnten.

Das Heiratsfest zwei Wochen später war pompös mit ca. 180 Gästen – nachdem schon am Vorabend mit 120 gefeiert worden war. Alles im Freien bei knapp 30 Grad, allerdings unter mehreren Partyzelten. Zuvor wurde der Bräutigam in einem Umzug mit lautstarker Musik zur wartenden Braut geführt. Das Hochzeitsritual dauerte über zwei Stunden, in denen der Bräutigam umgerechnet zwischen 10 und 15.000 Euro ärmer wurde. Weniger die teuren Eheringe waren der Grund. Auch eine goldene Halskette und ein Armband wechselten den Besitzer. Insbesondere aber war das „Milchgeld“ auf einem Tablett an die Mutter der Braut zu übergeben als Entschädigung für die Erziehungskosten und den Verlust der Tochter.

Was aber verwunderte: Bei der traditionellen Hochzeit war kein Mönch zugegen. Vielleicht deshalb, weil diese auch nicht billig sind und die Gesamtkosten erhöht hätten. Kein Wunder, dass sich arme Thailänder keine Frau leisten können und diese an Männer in Europa gehen. Aber im Islam gehen noch mehr Männer leer aus, weil sich viele Muslime mehrere Frauen leisten.

Doch der Reihe nach. Am Flughafen in Bangkok fühlte ich mich wie in Deutschland. Aber in einer Hinsicht doch wieder anders, denn: Die ersten 1.000 Euro, die ich am Flughafen in Bath umtauschte, steckte ich in einem Umschlag in die Jackentasche. Doch knapp daneben, der Umschlag fiel unbemerkt zu Boden. Als ich nach einer halben Stunde das Fehlen bemerkte, übergaben mir zwei Putzfrauen das Geld. Sie hatten noch gesehen, wie ich das Geld verloren hatte und suchten mich. Meine ausgeprägte „Langnase“ – so die übliche Bezeichnung für uns Europäer – erleichterte ihre Suche im riesigen Flughafen. Den angebotenen Finderlohn lehnten sie ab. An einem deutschen Flughafen wäre das Geld wohl weg gewesen.

Was mir dagegen vertraut war: Wohin man schaute, war eine Kopftuchträgerin zu sehen, nicht als Arbeitende, sondern als Fluggäste. Doch wurden wir vom mitanreisenden Bräutigam aufgeklärt, dass dies nicht typisch für Thailand sei. Zwar seien fünf Prozent der Bevölkerung muslimisch, doch diese lebten mehr im äußersten Süden Richtung Grenze zu Malaysia. Unter den Muslimen sind viele gewalttätig und Terroristen, die dem Land immer wieder schwer zusetzen. Diese begnügten sich nicht mit der Verwendung von Messern, Autos und LKWs als Waffe wie bei uns, vielmehr verübten sie Bombenattentate. Kaum ein Jahr ohne Anschläge; der dortigen Polizei wird es ebenso wenig langweilig wie der Unsrigen. Im Stadtzentrum von Bangkok sah ich keine Moscheen, von der Autobahn aus schon.

Pattaya war Ziel des vorgeschalteten Urlaubs von einer Woche. Ich schleppte meine komplette Tauchausrüstung mit, was sich als Fehler herausstellte. Von der Dive Station Pattaya aus fuhren wir zuerst mit einem Pick-up 45 km zu einer südlich gelegenen Halbinsel, dann mit einem ansehnlichen zweistöckigen Tauchschiff mit Toiletten zu vorgelagerten Inseln. Der erste Tauchgang war an einem Wrack, doch die Sicht betrug allenfalls zehn Meter. Der zweite Tauchgang dann an einem „Korallengarten“. Der Garten war da, nur die Korallen musste man suchen. Auf weiteres Tauchen verzichtete ich, und wir beschränkten uns aufs Schwimmen. Das Hotel war spitze mit eigenem Strand und schönem Pool. Die Wasser- und die Lufttemperatur betrugen beide jeweils 27 Grad und das Anfang Februar! Doch die Sicht im Meer in Strandnähe betrug keinen Meter. Wer besseres Wasser will, muss nach Phuket oder Koh Samui fliegen.

Über Wasser kamen wir in Pattaya eher auf unsere Kosten. Eine Freundin der Verheirateten betreibt in Pattaya und zwei weiteren Städten Restaurants, die in ganz Thailand bekannt sind. Ihr Erfolgsrezept liegt in diesen Videopräsentationen Chicken Mortar Pattaya, von denen man sich eines auf jeden Fall gönnen sollte. Die Chefin kocht selbst, nicht in weißer Montur, sondern obenherum dürftig bekleidet. „Appetitanregend“, doch die Gaumen der Gäste werden nicht minder verwöhnt. Als wir dort waren, nahm die Chefin gerade mit einem Filmteam einen weiteren Videoclip auf. Anschließend begrüßte sie uns mit der frisch verheirateten Freundin.

Einige Daten zu Thailand, dem „Land des Lächelns“, wenn das Lächeln nicht hinter Corona-Masken verborgen wird. Über die Hälfte tragen die Masken immer noch. Dessen Einwohnerzahl stieg inzwischen auf 70 Mio. Das Land ist rund die Hälfte größer als Deutschland, die Einwohnerdichte mit 136 EW/km² immerhin mehr als halb so hoch wie bei uns. 6 Millionen leben in der Hauptstadt Bangkok und damit mehr als in Berlin mit knapp 4 Millionen. Obwohl das Land weniger besiedelt ist, sind die Verbindungen zwischen den Dörfern und Städtchen erstaunlich gut, die Autobahnen teilweise vierspurig. Und, obwohl es die Thailänder mit dem Fahrrad nicht so haben, verfügen sie über mehr Fahrradschnellwege als Deutschland. Denn die Standspur der Autobahnen darf fast überall von Fahrrädern benutzt werden. Auch für uns in Deutschland eine Überlegung, statt mehr Landschaft für Fahrradschnellwege zu versiegeln?

Unser Hochzeitspaar war unweit von Udon Thani in Nong-Wua-So daheim. Für unkundige Leser: Während des Vietnamkrieges (1967–1975) war Udon ein großer Luftwaffenstützpunkt der USA, der heute von der Thailändischen Luftwaffe genutzt wird. Hier wurden die Bomber beladen, die ihre tödliche Fracht insbesondere im 570 km entfernten Hanoi und in der Hafenstadt Haiphong „entluden“. Operation Linebacker wurde diese Offensive genannt, von der Putin vielleicht seine Bezeichnung „Spezialoperation“ übernahm. Insgesamt forderte jener Krieg in Nordvietnam 1,25 Millionen tote Vietnamesen, in Südvietnam fast 1,5 Millionen (Quelle). Das Beladen der Bomber erfolgte zeitweise im Schichtbetrieb. Dagegen erscheint der Krieg in der Ukraine wie ein Manöver. Aber das war wohl im Gegensatz zu Putins Krieg einer für eine gute Sache (?).

Der Teil 2 wird sich mit dem Buddhismus Thailands beschäftigen.

Der letzte Teil 3 ist in Vorbereitung


*) Informationen zum Autor siehe
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