Künstle’s Sicht: Die Marktwirtschaft wurde auf den Kopf gestellt
– Lehrsatz: Der teuerste Anbieter bestimmt den Energiepreis!?
– Nun haben wir Staatsmonopolistischen Kapitalismus in Grün
– Ergebnis: Die einen zahlen, andere streichen Extraprofite ein
von Albrecht Künstle *)
„Der teuerste Anbieter setzt den Preis“, verkündet die grünliche Badische Zeitung unkritisch in ihrer Ausgabe vom 30. August 2022. Das gelte nicht nur für Gas, Kohle, Öl und Strom, sondern auch für die Preisbildung allgemein, z.B. auf einem Wochenmarkt. Bei einer gegebenen Nachfrage „bestimmt der letzte Hersteller, der zum Zug kommt, den Preis für alle.“ Das sei die geltende Lehrmeinung an den wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten. Ich traute meinen Augen nicht, denn vor 50 Jahren hatte ich das anders gelernt. Und das Beispiel in der Zeitung vom Apfelkauf auf dem Wochenmarkt widerspricht jeder Realität:
„Auf einem Markt werden zehn gleichwertige Äpfel angeboten … Nehmen wir nun an, es wird ein elfter Apfel nachgefragt. Was dann passiert, ist einfachste Lehrbuchökonomie: Der Preis der Äpfel steigt, bis … entweder ein Interessent abspringt … oder ein Anbieter bereit ist, für den elften Apfel einen höheren Preis zu zahlen.“
Und dieser Preis gelte dann auch für die anderen zehn Äpfel, so der Wirtschaftsexperte der Zeitung. Diese „Grenzbepreisung“ werde beim Strommarkt „Merit-Order-Modell“ genannt.
Ist das jetzt wirklich die Lehrmeinung an unseren Universitäten? Das kann nicht sein, denn auf einem funktionierenden Markt geht die Hausfrau zum zweiten oder dritten Obstverkäufer, der durch gutes Wirtschaften seine Äpfel nicht teurer verkaufen muss und auf Extraprofit verzichtet. Anders jedoch, wenn die Berliner Staatsmacht ihre Finger im Spiel hat…
„In Zeiten, in denen aber Kraftwerke mit teuren Brennstoffen erforderlich sind, steigt der Einheitspreis für alle verkauften Kilowattstunden.“
Das sei halt so. 1998 wurde die Strommarktliberalisierung eingeführt und im Jahr 2000 mit dem Aufbau der Strombörse EEX etabliert. Aber einen freien Energiemarkt mit einer freien Energiegewinnung gibt es nicht mehr seit der Wählerentscheidung für die derzeitige Bundesregierung. Den kostengünstigen fossilen Energieträgern und Atomstrom wurde der schnellstmögliche Endkampf angesagt. Und die „übergangsweise“ noch geduldeten Energie wird nicht mehr zu einem günstigen Preis aus dem Osten bezogen. Die russischen Lieferanten werden per Gesetz sanktioniert bzw. boykottiert. Stattdessen wird Energie aus dem fernen Westen und dem Rest der Welt geordert, die noch gar nicht zur Verfügung steht. Und je knapper die Ressourcen künstlich gehalten werden, desto mehr explodieren die Preise dieses faktischen Preiskartells.
Mit diesem unseligen System der wirtschaftspolitischen Höchstpreisdominanz kann auch der unwirtschaftlichste und damit teuerste Anbieter noch überleben. Und alle Anbieter mit niedrigen Gestehungskosten fahren durch die Hochpreisgarantie satte Extragewinne ein und wissen nicht, wohin mit dem Geld. Geld, das uns Endkunden abgepresst wird. Die Preise steigen schon jetzt für die Energie, die noch günstig erzeugt werden konnte. Maßgebend für uns Verbraucher sind schon jetzt jene Preise, mit denen für den kommenden Winter kalkuliert wird; weil kein Gas aus Russland kommen soll, wenig Ersatz aus anderen Ländern zur Verfügung stehen wird, wenig Strom aus Photovoltaik-Anlagen und gar kein Strom von jenen Windrädern, die zwar geplant, aber noch nicht errichtet sind. Auch die noch brauchbaren Kernbrennstoffe sollen sich selbst überlassen bleiben, statt mit ihnen Strom zu erzeugen. Das ist so, al ob man LKWs mit lebenswichtiger Fracht auf halbem Weg stehen lässt, statt die Tanks noch bis zum Ziel leerzufahren.
Nein, eine richtige Marktwirtschaft funktioniert bei mehreren Anbietern anders. Das sei hier am Schaubild des obigen Artikels erläutert. Setzen wir dieses Bild mit einer Talsperre gleich. Die Vertikale sei die Staumauer, die obere Horizontale der Wasserstand. Die gelbe Linie unten ist der Grund des Stausees; auf dieser gelben Linie sind die Unternehmen angesiedelt, die aufgrund besseren oder weniger guten Wirtschaftens unterschiedliche Entstehungskosten haben. Entspricht die kaufkräftige Nachfrage z.B. 90, d.h. der Stausee ist fast voll, kommen alle Unternehmen unterhalb des Wasserstandes 90 gut über die Runden um machen Gewinne. Aus der vertikalen Spanne zwischen den Erlösen der 90er Linie und den unterschiedlichen Gestehungskosten auf der gelben Linie unten resultieren unterschiedliche Gewinnspannen. Fällt die Nachfrage und der Marktpreis auf z.B. 80 ab, können die Betriebe mit den höheren Grenzkosten (rechts oben) nicht mehr mithalten und müssten dichtmachen. Es sei denn, sie werden von anderen Unternehmen übernommen, die wirtschaftlicher arbeiten und auch mit einer Mischkalkulation über die Runden kommen.
Steigt die kaufkräftige Nachfrage an, dann werden auch die Betriebe mit hohen „Grenzkosten“ wieder wirtschaftlich, wenn auch mit kleineren Gewinnen. Wurden diese aber stillgelegt, d.h. die Produktionskapazitäten reichen für die Nachfragesteigerung nicht aus, schlägt sich das in Preissteigerungen nieder. Die jetzige Inflation besonders der Energiepreise ist aber eine völlig andere Sache. Weil von unseren Superschlauen der höchste Preis zum Maß aller Dinge wurde, gibt es keine Konkurrenz mehr, auch keinen effektiven Einsatz der Energieressourcen. Alle Unternehmen der gelben Linie am Grund es Stausees erwirtschaften Gewinne, die umso höher ausfallen, desto günstiger sie einkaufen und produzieren. Weil sie so im Geld schwimmen, fehlt jedoch die unternehmerische Motivation, zugunsten der Verbraucher wirtschaftlich zu handeln. Schreibt man den Unternehmen nicht vor, wie sie z.B. Strom zu erzeugen haben, bildet sich in einer richtigen Marktwirtschaft ein günstiger Preis, nicht ein Höchstpreis wie jetzt.
Die Gaspreisumlage, Steuern darauf oder anderes sind nur Nebenkriegsschauplätze des obigen Preiskriegs. Ein Problem ist noch der Grundsatz „pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten. Die Versorger müssten sich eigentlich für die Laufzeit der Lieferverträge an die vereinbarten Preise halten – gäbe es nicht den § 313 BGB: (1)
„Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, (wenn) das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann“
(hier auch kommentiert). Wenn sogar wegen Lappalien wie Corona Vertragsanpassungen möglich waren, warum dann nicht in dieser alle betreffenden Existenzfrage? Denn wir müssen sowieso für alle Fehler der Politik aufkommen, warum dann nicht über diesen einfachen Weg von Vertragsanpassungen, sondern über Habecks Bandenspiel? Der Gesetzgeber bräuchte das einfach nur über einen § 313a BGB regeln, statt es den Gerichten zu überlassen.
Dieser Rechtsgrundsatz Wegfall der Geschäftsgrundlage sollte dann aber auch für die Regierung gelten. § 313 Abs. (2) lautet:
„Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.“
Wie konnten wir Wähler auch ahnen, dass die in Berlin einen Kindergeschichtenschreiber zum Wirtschafts- und Energieminister berufen? Und Abs. (3) lautet,
„Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.“
Weil uns die Berliner Laienspielschar nicht mehr zumutbar ist, sollten wir das Recht haben, dieser Regierung zumindest unser Vertrauen aufzukündigen!
Weitere Beiträge zum Thema:
Die Explosion des Strompreises ist auch eine Folge des Preiskartells – Ansage
Anderweltonline.com: Die Gasumlage – der unsägliche Murks des Herrn Habeck
Wer lieber hört als liest: Strom jetzt 14mal teurer als 2020 – YouTube
*) Informationen zum Autor siehe HIER
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