Die andere Sicht

Künstle’s Sicht: Berlin wurde vor 100 Jahren unregierbarer Moloch

– Wie und warum Berlin 1920 zur drittgrößten Stadt der Welt aufstieg
– Ist Berlin noch regierbar oder wird sie das Schicksal von Babylon teilen?

von Albrecht Künstle *)

Die historische ARD-Krimiserie „Babylon Berlin“ gab am Rande auch etwas Einblick in den Schmelztiegel dieser Weltstadt des Deutschen Reiches in der Phase der Weimarer Republik. Es war ein Moloch im Weltmaßstab; mit rund vier Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt der Welt hinter London und New York. Flächenmäßig war Berlin sogar die zweitgrößte nach Los Angeles. Das war 1920, zwei Jahre nach dem Ende des verlorenen Weltkrieges.

Warum „Berlin nicht erst seit der Deutschen Einheit 1990 ausgesprochen schwer regierbar ist“ (Die WeLT, 27.04.2020) soll hiermit thematisiert werden. Und welche politischen Parallelen es dazu gibt.

Berlins damalige Größe explodierte, anders als heute, nicht durch Zuwanderung aus dem In- und Ausland und der Geburtenfreudigkeit bestimmter Gruppen. Berlin erlangte seine Dimension durch die größte „Eingemeindung“ der deutschen Geschichte. Im Oktober 1920 vor genau 100 Jahren wurden der Reichshauptstadt Berlin die umliegenden eigenständigen Großstädte Charlottenburg, Lichtenberg, Köpenick, Neukölln, Schöneberg, Wilmersdorf und Spandau zugeschlagen. Außerdem 59 Gemeinden und 27 Gutsbezirke, wodurch sich Berlin flächenmäßig um das dreizehnfache (!) vergrößerte, auf doppelt so viele Einwohner.

Es ging hauptsächlich um die Entwicklung der Infrastruktur dieses Zentrums, um Straßen- und U- und S-Bahn-Bau, die Wasserversorgung und Grünzüge zur Belüftung der Innenstadt usw. Der im Jahr 1911 dafür gegründete Zweckverband scheiterte an den Eigeninteressen der vielen Stadtoberen. Ihnen ging es hauptsächlich um die Gewerbe- und andere Steuern.

Am 27. April 1920 entschied deshalb die Verfassungsgebende Versammlung Preußens in Berlin die Bildung von Groß-Berlin, was dann im Oktober geschah. Das war politisch nicht ganz einfach, denn Berlin mit den umliegenden Städten war tiefrot. Von der SPD über die U(nabhängige)SPD bis hin zur KPD. Sie wollten das Groß-Berlin, während die rechtsgerichtete Deutsch-Nationale-Volkspartei DNVP und die Deutsche Volkspartei DVP ablehnend waren, weil das die Dominanz der Linken in Berlin, Preußen und dem ganzen Reich stärken würde.

Ähnlich tickte das katholisch geprägte Zentrum im Süden und Westen des Reiches, weshalb die Abgeordneten beschlossen, sich der Stimme zu enthalten. Und die NSDAP? Sie konnte ihre Hände in Unschuld waschen, weil es sie zwar seit Februar 1920 gab, die aber erst 1930 in den Reichstag einzog. Aber selbst bei der letzten Wahl im März 1933 erreichte sie in Berlin kein Drittel der Stimmen.

Deshalb spielte die USPD bei der Schaffung von Groß-Berlin das Zünglein an der Waage und war schließlich mit ihren 20 Abgeordneten die entscheidende Hebamme der schweren Geburt – das Baby kam als Moloch zur Welt. Doch diese stand unter keinem guten Stern; der erste Oberbürgermeister Adolf Wermuth wurde bereits im November 2020 nach sieben Wochen zurückgetreten. Auch sein Nachfolger Gustav Bös scheiterte am Hexenkessel Groß-Berlin. Denn die großen Bezirksämter ließen ihre Stadtregierung immer wieder auflaufen. Berlin wurde noch schwerer regierbar als zuvor.

Die Wirren der Weimarer Republik mit seinem gestärkten (?) Machtzentrum Berlin führten geradewegs zur Machtergreifung Hitlers. Schon am 24. März 1933 stimmten alle Parteien (außer der SPD) ihrer eigenen Entmachtung zu https://de.wikipedia.org/wiki/Erm%C3%A4chtigungsgesetz_vom_24._M%C3%A4rz_1933#Abstimmung. Die gleichen Parteien, die sich 13 Jahre zuvor um Groß-Berlin gezankt hatten. Wie mit dem Stimmrecht der verhafteten KPD-Abgeordneten umgegangene wurde, erinnert heutzutage an den Umgang mit der Partei mit ebenfalls dem D am Ende. Nein, die SPD ist es nicht.

Vor knapp 30 Jahren, als es um die neue Hauptstadt und den Regierungssitz ging? Da war es ähnlich, nur dass die Linke noch mehr dominierte, zumindest in Berlin. Hier eine Zusammenfassung: Die Entscheidung fiel am 20. Juni 1991, nach einer fast zwölfstündigen leidenschaftlichen Debatte des Bundestages. Im provisorischen Plenarsaal, einem ehemaligen Wasserwerk, gab Präsidentin Rita Süssmuth bekannt, dass 338 Stimmen für den Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin abgegeben wurden. Eine knappe Mehrheit: 320 Mitglieder des Bundestages hatten sich erfolglos dafür eingesetzt, zwar den Bundesrat und den Sitz des Bundespräsidenten nach Berlin zu verlegen, aber Parlament und die Regierung in Bonn zu belassen.

Auch dieses Mal waren die Sozialisten entscheidend, welche die Verlegung des deutschen Regierungssitzes vom fast zentralen Bonn an den äußersten rechten Rand des neuen Deutschland nach Berlin durchsetzten. Die USPD gab es nicht mehr, es waren die 17 Abgeordneten der PDS. Aber nicht nur das. Die Abgeordneten hatten keine Skrupel, den Bundestag ohne Namensumbenennung in den Reichstag zu verlegen. In diesem wurde nur deshalb das Ermächtigungsgesetz nicht beschlossen (sondern in der Krolloper), weil die „Quasselbude“ (Jargon der Nazis) zuvor in Brand gesetzt wurde. Vom neuen Berliner „Reichstag“ aus wurde dann die „Eingemeindung“ der DDR betrieben – böse Zungen meinen umgekehrt, mit jetzt der Kanzlerin Merkel am Drücker. Aber immerhin kommt sie von der FDP (?) – oder war es die FDJ!

Die „Eingemeindung“ 1990 war etwas teurer als jene im Jahr 1920. Und sie ist noch nicht beendet. Deutschland durfte dafür ein „Sondervermögen Deutsche Einheit“ bilden, näher besehen das Gegenteil, nämlich ein Minus-Vermögen. Schulden, die aus dem Bundeshaushalt ausgelagert werden durften, sonst hätte Deutschland die Konvergenzkriterien zum Euro-Beitritt nicht geschafft.

Berlin bleibt das Sorgenkind Deutschlands; es wächst und wächst. Das gilt für die Bevölkerung, von der bereits 35 Prozent einen Migrationshintergrund haben. Nicht mitgerechnet sind offiziell geschätzt 100 – 250.000 nicht registrierte Immigranten. Die Einwohnerdichte ist die höchste der Stadtstaaten und beträgt stolze 4.115 EW/km² – fast jene des Gazastreifens. Viele Berliner ziehen inzwischen ins Umland.

Die Arbeitslosigkeit ist in Berlin ebenfalls die höchste und beträgt 10,5 Prozent – die Hinterbänkler im Bundestag nicht mitgerechnet 😊. „Arbeitslos“ ist auch BER, der fast zehn Jahre für die Fertigstellung brauchte. Auch auf einem anderen Gebiet schlägt Berlin andere weit ab; es soll die schmutzigste Stadt geworden sein – trotz der vielen Arbeitslosen, oder gerade wegen diesen?

Die politische Landschaft Berlins erlaubt wenig Hoffnung auf Besserung. Bei der letzten Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 schlossen sich die Wahlverlierer zu einer rot-rot-grünen Regierung zusammen. Unter dem Strich verloren die drei linken Parteien 5,2 Prozentpunkte, aber was solls, mit gesamt 52,4 Prozent der Stimmen blieb Berlin rot wie damals. Und wenn es knapp werden sollte, senkt man das Wahlalter notfalls auf FFF-Niveau. Die CDU war zwar mit 17,6 Prozent immer noch zweitstärkste Partei, aber ihr „Kampf gegen Rechts“ eint sie mit der linken Regierung – bis sie vielleicht wieder einmal ausgeschaltet oder als Blockpartei gleichgeschaltet wird. Lässt die Geschichte grüßen? Aber Berlin kann sich diese Regierung leisten, deren Ergebnisse werden schließlich mit dem Länderfinanzausgleich ausgebügelt:

Die Verschuldung Berlins ist mit fast 60 Mrd. EUR und ca. 16.000 EUR pro Kopf die vierthöchste aller Bundesländer, dazu kommen die bundesweiten Schulden von 26.000 EUR/Kopf und die roten Zahlen der Berliner Bezirke. „Trotz alledem“ (eine SPD-Floskel) zieht es wahnsinnig viel Migranten nach Berlin – wissen die denn nicht, in welchen Schuldensumpf sie ziehen? Dort leben 191 Nationalitäten mit zig Religionen, darunter bereits so viele Muslime wie Katholiken. Trotz alledem, „Berlin ist sexy“, sagte Wowereit, und andere denken es. „Berlin ist ein neues Babylon“ sagen wieder andere.

*) Informationen zum Autor sieheKünstles Sicht

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