– Oft ging die Verfolgung der Juden der Christenverfolgung voraus
– Wer Judenhass nicht entgegentritt, könnte bald selbst Opfer sein
von Albrecht Künstle *)
Dieser Tage feierte der Zentralrat der Juden in Deutschland den 70. Jahrestag seiner Existenz. Er vertritt etwa die Hälfte der Juden in unserem Land, „verliert“ aber wie die Christlichen Kirchen an Mitgliedern. Im Deutschen Reich lebten 1933 noch über 500 Tsd. Juden. Heute sind es noch oder wieder 200 Tsd. Nur etwa die Hälfte gehört jüdischen Gemeinden an. Den Höhepunkt hatten diese im Jahr 2005 mit 108.289 Mitgliedern erreicht, 2019 waren es nur noch 94.771. Die Einzigen die mehr werden, und das rasant, sind die Muslime mit ihren Verbänden.
Dieser jüdische Jahrestag war für mich ein Anlass, auf die schicksalhafte Geschichte über 2.000 Jahre zurückzublicken. Juden und Christen lebten lange Zeit getrennt voneinander und oft genug gegeneinander – und wurden meist vereint geschlagen. Früher von den Alten Römern, heute lauert eine andere Gefahr.
Teil I
Ein „alter Schinken“ aus dem Jahr 1964 mit dem Titel „Vom Paradies bis Golgatha“ ist eines der Bücher, die das Schicksal von Juden und Christen beschreibt. Mit großem Interesse arbeitete ich es durch, das im Wesentlichen die Geschichte der „Israeliten“ nachzeichnet, zumal es mit vielen Karten aus der jeweiligen Epoche versehen ist. Der Titel ist jedoch irreführend, denn es beginnt mit Noahs Söhnen, einer nicht gerade paradiesischen Zeit. Richtig interessant wird das Buch erst nach Golgatha, wo es allerdings nur dem Titel nach endet.
Gerade die ersten Jahrhunderte der neuen Zeitrechnung, mit „n. Chr.“ abgekürzt, brachten für mich interessante Parallelen zwischen dem Leben und Schicksal der Juden und der neuen Christen an den Tag. Das Buch endet mit dem Beginn des 4. Jahrhunderts, als das Christentum unter Kaiser Konstantin sogar Staatsreligion wurde (obwohl er sich erst auf dem Totenbett taufen ließ). Anm.: Die Jahresangaben hier können von anderen Quellen aus den bekannten Gründen um bis zu fünf Jahre abweichen.
Jesus war ein waschechter Jude, und in seinen Jugendjahren im Jahr 6 n. Chr. wurde Judäa eine römische Provinz. Das riesige römische Reich war nur beherrschbar, indem die Cäsaren nicht nur Soldaten schickten, sondern auch Männer des jeweiligen Volkes als Vasallen einsetzten. Von Judäa bis Galiläa war dies der jüdische Herodes. Sie waren in der Regel Kollaborateure der Besatzungsmacht, was erklärt, dass das Volk oft gegen beide Herrschaften rebellierte.
Als Jesus zehn Jahre alt war, kam es nur zehn Kilometer von Nazareth entfernten in der Nachbarstadt Sepphoris zu einem Aufstand. Als Antwort „zerstörten die Römer die Stadt und kreuzigten zweitausend seiner jüdischen Bewohner. Die Kreuze standen kilometerweit zu beiden Seiten der Straße.“ – wie es auch beim Spartacus-Aufstand 73 v. Chr. gegen die Römer der Fall war. Dies nur nebenbei an die Adresse jener, die meinen, Jesus sei von den Juden ans Kreuz geschlagen worden. Nein, die Kreuzigung war eine „Spezialität“ der Römer, welcher hauptsächlich Juden zum Opfer fielen
Teil II
Jerusalem. Wie für andere fromme Juden war es ab dem 13. Lebensjahr Pflicht, dreimal im Jahr den Tempel aufzusuchen. Zu den Jugendjahren Jesu wurde noch immer am Tempel gebaut. Er sollte von 13 Meter hohen Mauern umgeben sein, durch die neun Tore führten. Dessen „Hoher Rat setzte sich zusammen aus der Aristokratie, Priester, Schriftgelehrten und Ältesten, teils Pharisäer, teils Sadduzäer, und nach dem Aufstand in Sepphoris auch aus Zeloten.“ Es gab nicht „die Juden“, sowenig wie es sie heute gibt. Wie Christen waren und sind sie ein buntes Volk, das seinen Glauben praktiziert, aber es gibt unter ihnen auch Säkulare und Atheisten.
Pilatus. Er wurde 27 n. Chr. von Augustus Nachfolger Imperator Tiberius ernannt. „Von Anfang an hatte dieser Prokurator Differenzen mit seinen Untertanen. Zuerst ließ er Truppen in die Heilige Stadt marschieren. Er entnahm dem Tempelschatz Geld … und es gab regelrechte tyrannische Kränkungen… Für seine jüdischen Untertanen hatte er nur tiefste Verachtung.“ Es war also nicht so, dass die Verurteilung Jesu Christi zum Tod ein abgekartetes Spiel war. Für Pilatus war Jesus schließlich ein Jude, der das Schicksal des Kreuzestodes vieler Juden zuvor teilen sollte.
Das 1. Jahrhundert nach dem Tod von Jesus Christus war geprägt von der relativ schnellen Ausbreitung des weiterhin jüdisch geprägten Christentums. Zwar nicht ganz so schnell wie sich der Islam heute bei uns breit macht, weil es damals noch keine moderne Kommunikationstechnik gab wie heute. Den jeweils zu zweit losgezogenen Aposteln und den neuen Jüngern kam aber der von Rom forcierten Ausbau des Straßennetzes des römischen Reiches zugute. Deren Missionsreisen führten nach Syrien, insbesondere aber durch Kleinasien bis in die Ländereien rund um das Ägäische Meer. Auch Zypern war eine Zwischenstation von Aposteln.
Während sie im „Ausland“ unterwegs waren, verarmte die christliche Gemeinde in Jerusalem, und es spitzte sich ein Glaubensstreit zu. Nämlich, ob die Taufe zum Christentum nur über den Umweg über das Jüdisch Werden möglich war, oder Heiden auch ohne den Beschneidungs-Umweg Christen werden konnten. Dieser Streit wurde im ersten „Apostelkonzil“ in Jerusalem wahrscheinlich im Jahr 48 oder 49 n. Chr. beigelegt. Was für Sorgen hatten die damals?
Ein solcher Streit ist eigentlich nicht nachvollziehbar, zumal in der gleichen Zeit die Repressionen der Römer gegen die Bewohner von Galiläa, Samaria und Judäa, sowie zwischen diesen weiterging. Die Feindseligkeit beruhte auf Gegenseitigkeit. Sie erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 70 n. Chr., als die Römer den über 80 Jahre wiederaufgebaute Tempel zerstörten – und mit ihm die ganze Stadt. Nach dem Geschichtsschreiber Flavius Josephus verloren eine Million Juden dabei ihr Leben. Mit Sicherheit waren auch tausende „Judenchristen“ darunter. Juden und Christen marschierten getrennte Wege, wurden jedoch vereint geschlagen.
100.000 wurden als Sklaven in die ägyptischen Bergwerke verschleppt, andere fanden bei Schaukämpfen in Amphitheatern ihr Ende, wie es im folgenden Jahrhundert auch den Christen widerfahren ist. In Judäa tobte der im Jahr 66 n. Chr. begonnene jüdisch-römische Krieg noch drei Jahre weiter, bis sich die letzten Widerständler auf der Festung Masada verschanzten. Was dort geschah ist hinlänglich bekannt.
Teil III
So, wie das 1. Jahrhundert eine jüdische Tragödie war, wurde das 2. Jahrhundert zur Tragödie der Christen. Diese begann schon im Jahr 81 n. Chr. als nach Vespasian auch Titus verstorben war. Mit dem Nachfolger Domitian setzte die systematische Christenverfolgung ein. Sogar eigene Verwandte, die mit dem Christentum sympathisierten, wurden verbannt oder hingerichtet. In dieser Zeit lebte noch der letzte Apostel, Johannes, bis dann Trajan an die Macht kam. Unter diesem hatten die überlebenden Juden weniger zu leiden, umso unnachgiebiger war er den Christen gegenüber. Sie sollten nun wieder die Götter der Römer verehren; wer dem neuen Glauben nicht abschwören wollte, sollte sterben. Bischof Ignatius von Antiochien erbat Gnade, weshalb er nach Rom gebracht und dort im Circus Maximus den Löwen vorgeworfen und zerfleischt wurde. Als 117 n. Chr. Hadrian die Herrschaft übernahm, erstreckte sich das Römische Reich von Britannien bis zu den Katarakten des Nil, und vom Atlantik bis zum Tigris. Und er wütete noch schlimmer als seine Vorgänger. „Die Massaker, von denen vordem die Juden heimgesucht worden waren, trafen nun die Christen.“
Doch die Schonfrist für die Juden hielt nicht lange. In den letzten Jahren Hadrians glaubten viele Juden, mit Bar Kochba sei endlich IHR Messias auf den Plan getreten. Er wurde zum Oberbefehlshaber der jüdischen Streitkräfte und siegte in einigen Schlachten gegen die römischen Besatzer. So wurde er zum langersehnten Erlöser Israels. Das löste einen Vernichtungsfeldzug der Römer aus. Die Höhlen von Judäa wurden zum neuen Masada. Die Israeliten wurden endgültig aus dem Gelobten Land vertrieben und in die Diaspora in „alle Welt“ (Indien, China, Arabien, Ägypten und Nordafrika, das heutige Russland und Europa) zerstreut, wo sie bis 1948 lebten und zum Teil heute noch leben.
Wenig bekannt ist, dass die Römer auch die früheren Provinznamen auslöschten und der Levante den Namen „Syria Palästina“ verpasste. „Palästinenser“ gab es noch nicht; erst später wurden Bewohner jenes Landstrichs nach dem Kunstnamen der alten Römer benannt. Den Juden und Christen nahm man sogar den Namen Jerusalem weg, das fortan Colonia Aelia Capitolina hieß. Auch im Verlust ihrer Heiligen Stadt waren Juden und Christen wieder einmal vereint.
Im Exil bzw. der Diaspora hatten es die Juden nicht leicht, aber sie machten das Beste aus ihrer Situation. Den Christen ging es nicht viel anders, sie waren lange Zeit breiter Verfolgung ausgesetzt. Trotzdem war das Christentum nicht mehr aufzuhalten. Mit dem römischen Kaiser Konstantin wendete sich das Blatt zum Positiven, im Jahr 313 n. Chr. stellte er das Christentum gleichberechtigt neben die anderen Religionen seines Reiches und wurde 319 sogar Staatsreligion. Jahrhunderte lang gab es ein brüderliches Miteinander von Christen und Juden.
Doch rund 300 Jahre später zogen mit dem (falschen) Propheten Muhammad wieder dunkle Wolken über den beiden Bruderreligionen auf. Dieser erklärte Nichtmuslime zu Ungläubigen, die gemäß seinem Koran zu ächten und zu töten seien. Was er zu seinen Lebezeiten auch tat. Er verfolgte zuerst Juden und liquidierte zwei ihrer Stämme. Und dann kamen auch Christen an die Reihe. Seine Nachfolger sind ihm ziemlich ebenbürtig. Die Islamischen Staaten sind meist „judenfrei“ und auch die Christen werden dort immer weniger.
Meine Lehre aus der gemeinsamen Geschichte: Christen, die den Juden nicht beistehen, seien es die in unserem Land oder jene in Israel, können ziemlich sicher sein, einmal dasselbe Schicksal zu erleiden wie die Juden, aus denen unser Christentum entstanden ist. Wir haben zwar keine „Alten Römer“ mehr. Aber an deren Stelle mit ihren vielen Göttern und ebenso vielen Ländern ist eine neue Macht getreten, die nur ihren eigenen Allah anerkennen, und dessen – von Muhammad und seinen Nachfolgern ersonnene Scharia – zum Gesetz des Islam über alle anderen werden soll. Und die keine Ruhe geben werden, bis dieses Ziel auf der ganzen Welt erreicht ist.
Dagegen helfen drei Gebote: Schaut euch die Geschichte an und zieht euere Lehren daraus. Helft euch selbst, indem ihr Juden beisteht. Christen und Juden, sorgt gemeinsam dafür, dass unsere selbsterklärten Feinde nicht zu viele und nicht zu stark werden!
*) Informationen zum Autor siehe „Künstles Sicht„