Künstle’s Sicht: Stadt in Südbaden versagte eine Veranstaltung über Theodor Herzl
– Was steckt dahinter?
– Ein Einzelfall oder typische Doppelzüngigkeit im Land?
von Albrecht Künstle *)
Der Europäische Tag der jüdischen Kultur am 6. September warf an einigen Orten des Kontinents seine Schatten voraus. Schatten im doppelten Sinn, denn nicht überall waren Organisatoren der jeweiligen Veranstaltungen willkommen. So auch in Deutschland, namentlich im beschaulichen Städtchen Herbolzheim im Breisgau in Südbaden. Aber Theodor Herzl ging es 1897 auch nicht anders, als er einen Ort für den 1. Judenkongress suchte. Er musste nach Basel ausweichen.
Der Deutsch-Israelischer-Arbeitskreis Südlicher Oberrhein e.V. (DIA) plante hier einen Vortragsabend, und beantragte zusammen mit der Senioren-Union das „Torhaus“, die Kulturhochburg der Stadt – ehrlich gesagt die einzig noch geeignete Örtlichkeit für eine Kulturveranstaltung in der Stadt. Das Torhaus war für diesen Tag noch nicht anderweitig belegt. Umso mehr wunderte sich der örtliche Mittelsmann des Vereins, der keine Zusage zur Durchführung dieses jüdischen Kulturtages erhielt. Auf Nachfrage wurde ihm von der Kulturabteilung der Stadt beschieden, „geht nicht“, der Bürgermeister wolle es nicht.
Das war nicht immer so. Dessen Vorgänger hatte den Mut, die Geschichte einer Herbolzheimer Sinti-Familie aufarbeiten zu lassen, die „weggekommen“ ist, wie es damals landläufig hieß, wenn welche mit dem Zug den Weg ins Gas antraten. Das tat der Ex-Bürgermeister auch auf die Gefahr hin, dass er sich damit nicht nur Freunde macht. Herbolzheim hat jetzt ein kleines Denkmal zu diesem dunklen Kapitel der Ortsgeschichte – das seit es steht noch nie geschändet wurde. Initiiert wurde diese Geschichte vom DIA-Mitglied Reinhold Hämmerle.
Und jetzt? Bestand wieder die Gefahr, dass sich irgendein Nachkomme von damals an den Pranger gestellt fühlt? Nein, denn der „Gegenstand“ des Kulturabends ist nicht etwa die fast gelungenen Ausrottung der deutschen Juden mit ihrer Kultur. Das Thema des Abends sollte Theodor Herzl sein, Begründer des Staates Israel, anlässlich seines Geburtstages vor 160 Jahren. Angekündigt mit „Wie haben die Städte Budapest, Wien und Paris auf ihn gewirkt und welchen Effekt hatten politische und gesellschaftliche Umbrüche auf sein Schaffen.“ Für einen heutigen Bürgermeister also ein völlig unverfängliches Thema. Es sei denn, er befürchtet Ungemach von anderer Seite: Die Stadt hat 2015 überproportional viele Migranten aufgenommen, für die Israel teilweise ein Reizwort ist.
Ich machte mir meine Gedanken dazu und frage mich, könnte es auch sein, dass dem Bürgermeister nicht das Thema an sich nicht gefällt, sondern …? Vorsitzende des Deutsch-Israelischer-Arbeitskreis Südlicher Oberrhein e.V. (DIA) ist neuerdings Simone Schermann, die auch Referentin ist. Dazu kommt, dass sie dazu steht, was sie ist, nämlich Jüdin – „eine deutsche Jüdin, oder eine jüdische Deutsche“, wie sie zu sagen pflegt. Und tatsächlich begründete der Bürgermeister seine Absage der jüdischen Veranstaltung damit, dass er „keine eventuellen Gegner“ haben wolle.
Weil der Arbeitskreis samt seiner Referentin von der Stadt Herbolzheim „einen Korb“ bekam, fand die Kulturveranstaltung im sieben Kilometer entfernten Münchweier statt – nicht weit vom jüdischen Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Kippenheim. Immerhin erhalten die Toten Juden von unserem Land ein ehrendes Gedenken, die lebenden Juden in Deutschland und Israel haben es schwerer.
*) Informationen zum Autor siehe „Künstles Sicht„