Künstle’s Sicht: Israels Geburtstag wäre doch ein Grund zum Feiern
– Am 29. April feierte Israel seine Staatsgründung am 14./15. Mai 1948
– Ein Blick auf das Wesen und Verhältnis unserer beiden Staaten
von Albrecht Künstle *)
Jom haAtzma’ut heißt der jüdische Feiertag, der am 29. April 2020 gefeiert wurde. Er entspricht dem 5. Ijjar im Jahr 5708 des jüdischen Kalenders. Und dieser war kein anderer als der 14. Mai 1948. Was geschah an diesem denkwürdigen Tag? Es war die Geburt eines kleinen Landes nach langen Geburtswehen. Nicht weniger und nicht mehr als die des Landes Israel.
David Grün – besser bekannt als David Ben-Gurion – rief am 14. Mai 1948 die Unabhängigkeit Israels aus. Der erste Ministerpräsident verlas in Tel Aviv die (dreiteilige) israelische Unabhängigkeitserklärung. Bereits im UN-Teilungsplan von 1947 wurden 56 Prozent des Quasi-Niemandslandes Palästina der jüdischen Bevölkerung zugesprochen. Aus diesem Land wurde nun der Staat Israel.
Die Unabhängigkeitserklärung wurde nach langen Debatten von einem 37köpfigen Volksrat unter Beteiligung von zwei deutschen Juden beschlossen, die dem Massenmord entkommen waren: Pinchas Rosen aus Berlin und Peretz Bernstein aus Meiningen. „Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit in einem eigenen souveränen Staat selbst zu bestimmen“, war ein Element der Unabhängigkeitserklärung. Verbunden mit dieser BITTE: „Wir wenden uns an die Vereinten Nationen mit der Bitte, dem jüdischen Volk beim Aufbau seines Staates Hilfe zu leisten und den Staat Israel in die Völkerfamilie aufzunehmen.“
Was leider nicht viel nützte. Tags darauf am 15. Mai war das Völkerrechtsmandat für Palästina beendet. Am gleichen Tag noch erklärten Ägypten, Transjordanien, Syrien, Libanon und Irak dem neuen Ländchen den Krieg, obwohl der arabischen Bevölkerung von der UN 43 Prozent des Landes zugesprochen wurde, auf dem ein Palästinenserstaat hätte gegründet werden können. Und auch in der Folgezeit bis heute begannen diese UN-Staaten die Kriege gegen Israel gerne an dessen Feiertagen. Am bekanntesten ist der nach einem solchen Fest benannte Jom-Kippur-Krieg 1973. Im Vergleich dazu haben wir es in Deutschland besser; außer Anschläge auf Advents- und Weihnachtsmärkte ist bei uns nur erhöhte Aufmerksamkeit zu Ramadan-Zeiten angesagt.
Richtig zur Ruhe kommt Israel leider nicht, auch nicht in Zeiten, wenn keine äußere Bedrohung besteht. Trotz mehrerer Wahlen hintereinander war keine feste Regierungsmehrheit möglich. Gerade erst wurde um den Preis von 36 lukrativen Ministerposten eine neue Regierung gebildet. Und Korruption gibt es auch in Israel „bis in höchste Etagen“. Warum auch nicht, Israel ist nicht besser als andere Länder, aber mit Sicherheit auch nicht schlechter. Es ist jedenfalls die einzige Demokratie im Nahen Osten. Nur der Libanon ist solcher Dauerversuch.
Bleiben wir gespannt, wie Bundespräsident Steinmeier oder Außenminister Maas Israel zum Geburtstag gratulieren wird. Vielleicht mit „Auch im kommenden Jahr viel Glück“? Denn Steinmeiers gratulierte dem Iran, der Israel zum Hauptfeind erklärte, im Namen von uns Deutschen recht herzlich zum Jahrestag seiner Islamischen Revolution! Während „kleine“ Antisemiten zu Hause zu Recht geißelt werden, beglückwünscht und hofiert „Häuptling gespaltene Zunge“ die großen Antisemiten des Auslandes.
Aber auch v o r Steinmeier wurde Israel von Deutschland eher mit links abgetan. Obwohl den Juden im Deutschen Reich von allen Verfolgungen der Geschichte am schlimmsten mitgespielt wurde. Dass Deutschland nicht das erste Land war, das Israel anerkannte, lag nicht nur daran, dass uns von den Siegermächten erst ein Jahr später zugestanden wurde, sich im Mai 1949 neu zu gründen. Der erste Staat war die USA, der Israel gleich am ersten Tag seines Bestehens anerkannte, drei Tage später folgte die Sowjetunion, Deutschland erst 1952 und nur indirekt mit dem Luxemburg-Abkommen. Die formale Anerkennung mit dem Austausch von Botschaftern erfolgte sogar erst 1965.
Und auch heute noch weigert sich die Merkel-Regierung mit ihrem Gefolge, eine Botschaft in Israels neuer Hauptstadt Jerusalem zu eröffnen. Sie bleibt „weit vom Schuss“, in Tel Aviv am Mittelmeer, mit Konsulaten im nördlichen Haifa und Eilat im Süden, aber nicht im Zentrum jenes Landes. Das ist etwa so, als wenn Israel als Hauptstadt Deutschlands nicht Berlin anerkannt hätte und mit seiner Botschaft in Bonn geblieben wäre. Ist etwas dran an dem Verdacht, dass der deutschen Politik viel an der Erinnerung an die toten Juden in Deutschland gelegen ist, aber umso weniger an den lebenden Juden in einem autonomen Israel?
Wie dem auch sei, in Israel wird der 14. Mai nicht so pathetisch gefeiert wie Berlin unseren Nationalfeiertag. Aus www.kleiner-kalender.de: „Jeder feiert jom haAtzma’ut, die Gründung des Staates Israel, auf die Weise, die ihm angemessen erscheint…“ Und jene Regierung missbraucht diesen Tag nicht zur Abrechnung mit politisch Andersdenkenden, wie das in Deutschland jedes Jahr geschieht. Aus dem „Tag der deutschen Einheit“ wurde ein Tag der Diffamierung politischer Außenseiter. Wünschen wir Israel, dass es diesem deutschen Wesen nie nacheifern wird.
*) Informationen zum Autor siehe HIER
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